Freitag, 13. Mai 2022

Loggia soll Weltkulturerbe werden!


Bäderarchitektur soll Weltkulturerbe werden: Usedomer Kaiserbäder holen polnisches Sopot ins Boot (Ostsee Zeitung vom 29.4.2022)


Die schicken Villen der drei Kaiserbäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin zählen zum größten Ensemble erhaltener Bäderarchitektur in Europa. Für den Eintrag als Weltkulturerbe hat sich die Gemeinde auf polnischer Seite nun einen neuen Partner gesucht.

Heringsdorf/Sopot.Was könnte die Kaiserbäder mit der Chinesischen Mauer, Amerikas Grand Canyon, dem Great Barrier Reef in Australien oder dem Machu Picchu in Peru verbinden? – Der Status als Unesco-Weltkulturerbe. Die Gemeinde Ostseebad Heringsdorf will mit ihrer Bäderarchitektur auf die Liste mit schützenswerten Schätzen der Erde. Laut dem Ortschronisten Fritz Spalink gibt es in den Kaiserbädern etwa 100 bis 150 Villen und Gebäude aus der Gründerzeit, die erhaltenswert sind.

Partner bei der Bewerbung sollte auf polnischer Seite Swinemünde sein. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Statt Swinemünde ist es nun Sopot. Das Ostseebad mit über 35 000 Einwohnern gilt als einer der schönsten Badeorte an der polnischen Ostseeküste.

Nicht nur der Ahlbecker Jürgen Kraft, der am Donnerstagabend in der Gemeinderatssitzung nach dem Status quo fragte, war vom neuen Partner an der Kaiserbäder-Seite überrascht. Kraft hatte ein Werbeprospekt dabei, was kurz nach der Bekanntgabe der geplanten gemeinsamen Bewerbung Kaiserbäder-Swinemünde (2020) erschienen war. „Das Prospekt ist veraltet“, so Kurdirektor Thomas Heilmann.

Für Sopot, das für seine Kurhäuser, den Sandstrand und die hölzerne Seebrücke bekannt ist, spricht laut Bürgermeisterin Laura Isabelle Marisken (parteilos) die besser erhaltene Bäderarchitektur. „In Swinemünde ist vieles abhandengekommen.“

Swinemünde ist aus finanziellen Gründen raus

Swinemündes Stadtpräsident Janusz Zmurkiewicz trägt die Entscheidung mit. „Die Eintragung in die Liste ist eine Verpflichtung für den polnischen Staat. Die Verantwortung liegt bei den lokalen Behörden und ist größtenteils eine finanzielle Belastung. Wir haben uns entschieden, keinen gemeinsamen Antrag mit deutschen Kurstädten zu stellen.“

Wie ernst es aber die Kaiserbäder mit der Weltkulturerbe-Bewerbung meinen, zeigt die ausgeschriebene Stelle beim Eigenbetrieb der Kaiserbäder. Der auf drei Jahre befristete Job lautet: „Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Kunst und Kultur“ mit Schwerpunkt „Umsetzung des Projektes Bäderarchitektur als Weltkulturerbe“. Die Stelle ist inzwischen besetzt. „Auch Sopot hat dafür eine Person eingestellt“, so Marisken.

„Wir geben in drei Jahren für diese Stelle viel Geld aus. Haben wir eine realistische Chance, Weltkulturerbe zu werden?“, fragt Kraft. „Das ist ein mehrjähriger Prozess. Natürlich ist es nicht so einfach, auf die Tentativliste (Vorschlagsliste mit Stätten in Deutschland, die für eine Aufnahme in die Unesco-Liste der Welt empfohlen werden, d. R.) zu kommen. Ein länderübergreifendes Projekt kann aber von Vorteil sein“, so die Bürgermeisterin, die von Rückendeckung aus Schwerin berichtet.

Villen-Schutz bekommt größeren Stellenwert

„Die Bäderarchitektur ist ein Juwel für unsere Gemeinde. Wir sollten alles versuchen, um für uns und die kommenden Generationen diese wunderschöne und geschichtsträchtige Architektur zu bewahren. Oft gibt es Bauanträge, die Villen abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Das ernsthafte Betreiben der Bewerbung ist ein großes Pfund auch für die Genehmigungsbehörden, hier dem Schutz der alten Villen und damit der Bäderarchitektur einen größeren Stellenwert zuzugestehen“, ergänzt sie.

Von gut angelegtem Geld spricht Hans-Jürgen Merkle (Kaiserbäderbündnis) in Bezug auf die Stelle. „Natürlich gibt sich niemand der Illusion hin, dass wir in drei Jahren auf der Liste stehen. In den drei Jahren haben wir aber mit einer Fachfrau eine Chance, bessere Argumente gegenüber der Denkmalpflege zu bekommen. Schließlich geht es um den Schutz unserer Baudenkmäler.“

In Mecklenburg-Vorpommern haben es bereits die Altstädte von Stralsund und Wismar (seit 2002) geschafft, in die Reihe bedeutender Kunst- und Kulturschätze aufgenommen zu werden. „Die Zusammenarbeit mit Sopot ist nur ein Anfang. Schauen Sie auf Baden-Baden, das nach vielen Jahren mit internationalen Partnern im vergangenen Jahr Welterbestätte geworden ist“, so Merkle. Und zwar als Teil von „Great Spa of Europe“. Dahinter steckt der Zusammenschluss von elf bedeutenden Kurstädten aus insgesamt sieben Nationen. Dieses Modell könnte auch für herausragende Badeorte funktionieren, so Merkle.

Der Weg bis zum Weltkulturerbe führt über Schwerin, den Bund bis nach Paris, wo die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, kurz: Unesco, ihren Sitz hat.

Von Henrik Nitzsche