Sonntag, 1. Januar 2012

Theodor Fontane und die Villa Hintze

Theodor Fontane beschreibt in seinen Kindheitserinnerungen "Meine Kinderjahre" wie er hinter der Villa Hintze in "Störtebeckers Kul" ("Störtebeckhöhle" auf der Karte genannt) spielte:
Das Kampieren im Freien war jedesmal ein unendlicher Genuß für mich. Wir hatten verschiedene Lagerstellen ... aber mehr noch liebten wir eine Waldstelle, nahe bei Heringsdorf, die »Störtebeckers Kul'« hieß. Dies war ein tiefes Loch, richtiger ein mächtiger Erdtrichter, drin der Seeräuber Störtebecker, der zu Anfang des 15. Jahrhunderts die Nord- und Ostsee beherrschte, mit seinen Leuten gelagert haben sollte. Gerade so wie wir jetzt. Das gab mir ein ungeheures Hochgefühl, Störtebecker und ich. Was mußte ich für ein Kerl sein! Störtebecker war schließlich in Hamburg hingerichtet worden, und zwar als letzter seiner Bande. Das war mir nun freilich ein sehr unangenehmer Gedanke. Weil es mir aber, alles in allem, doch auch wieder wenig wahrscheinlich war, daß ich der Hamburger Gerichtsbarkeit ausgeliefert werden würde, so sog ich mir aus dem Vergleich mit Störtebecker unentwegt allerhand süße Schauer. Die »Kule« war sehr tief und bis zu halber Höhe mit Laub vom vorigen und vorvorigen Jahre überdeckt. Da lag ich nun an der tiefsten Stelle, die wundervollen Buchen über mir, und hörte, wenn ich mich bewegte, das Rascheln des trockenen Laubes, und draußen rauschte das Meer. Es war zauberhaft. Nur meine Truppe verdroß mich beständig, denn jeder einzelne, mit seiner höchst zweifelhaften Räuberanlage, stellte mir die gewöhnlichste Prosa des Lebens wieder vor Augen. Mein jüngerer Bruder, gutmütig wie er war, nahm immer eine Bierkruke mit aufgelöstem und furchtbar schäumenden Lakritzensaft mit, was meine »Störtebeckerschen«, die sich davon einschenken ließen, »Met« nannten. Zugleich waren meines Bruders Taschen mit einer Unmenge von wurmstichigem Johannisbrot gefüllt, um das man sich, mit einer allerdings halben Räuberenergie, balgte. Mir widerstand das alles, und ich trank Quellwasser, das ich mit der flachen Hand schöpfte.
Ein Exemplar Theodor Fontanes "Meine Kinderjahre" liegt in der LOGGIA für die Gäste bereit. Ab Seite 205 geht es dort in der Störtebecker Höhle rund.